Montag, 16. Februar 2015

Michel Houellebecq: Soumission (Unterwerfung), 2015

Thesen zu Unterwerfung

diskutieren Sie in der Gruppe und suchen Sie nach geeigneten Textstellen 

1. Widerspiegelt die Existenz von Francois die Kultur, in der er lebt oder in der wir leben? 

2. Francois und die sieben Jahre seiner Dissertation zu Huysmans: Bedeutung?

3. Die sexuell expliziten Stellen: wie damit umgehen? frauenfeindlich? Bedeutung?

4. Die Passagen rund um Rocamadour: Bedeutung für den Roman und Bezug zu Huysmans?









Literaturclub vom 27.1.15

bis 17:15

Frage nach dem Glück im Leben: 7:30
über die Rolle von Sexualität und Liebe: 17:30















Er stand zunächst dem französischen Naturalismus nahe (besonders Zola) und landete mit seinem Roman ›Gegen den Strich‹ 1884 seinen größten Erfolg. Der Roman um einen nervenkranken Sonderling (Des Esseintes), der sich in eine künstliche Welt des Ästhetizismus und Mystizismus zurückzieht, wurde zu einem Kultbuch der Decadents, u.a. Oscar Wilde.
Gegen Ende seines Lebens trat er dem Benediktinerorden bei.

Léon Bloy (Wikipedia) – interessant ist z.B. der Abschnitt ›Positionen‹





Im weiteren Zusammenhang: 


Rezensionen


Vorsicht: Spoiler!

Montag, 12. Januar 2015

Satire, Charlie hebdo















Kurt Tucholsky: Was darf die Satire? 
(1919)

Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.
Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: „Nein!“ Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.
Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.
Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.
Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.
Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: „Seht!“ – In Deutschland nennt man dergleichen „Kraßheit“. Aber Trunksucht ist ein böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend'[1] gewesen, und mit der Prostitution ist es noch heute so.
Der Einfluß Krähwinkels[2] hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige „Simplicissimus“[3] hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge rechtens im Wappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten, an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten, aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.
Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.
Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in denen, welch elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich: sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden von keinem Menschen gelesen.
Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und Volksbeauftragte – wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren […], wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.
Was darf die Satire?
Alles. 
(1919)


Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. Satire hat auch eine Grenze nach unten. In Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Mächte. Es lohnt nicht – so tief kann man nicht schießen.
 (Schnipsel, 1932)



Die Satire
[< lat. satura (lanx) = die mit verschiedenen Früchten gefüllte Opferschale, allgemein auch Allerlei, Gemenge]
Die Satire bezeichnet eine Kunstform, die sich an einer Norm orientiert und auf indirekt-ästhetische Weise Missstände, besondere Ereignisse und Personen in der Literatur, im Bild und heute auch in Film und Fernsehen verspottet. Stets lebt die Satire aus der Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit und kann als die in ästhetischer Form versuchte Gestaltung und Kritik des Normwidrigen definiert werden. Sie tritt in allen literarischen Gattungen auf und erscheint je nach der Absicht des Verfassers in unterschiedlichen Tonlagen: Sie kann liebenswürdig, humorvoll, komisch, aber auch ironisch, zornig und scharfzüngig-bissig sein, entsprechend der schillerschen Unterscheidung zwischen „lachender“ und „strafender“ Satire.
Ursprünge der Satire reichen bereits in die ägyptische und griechische Literatur zurück.







[1] Weberelend: Bezug auf den Aufstand der schlesischen Leinenweber von 1844
[2] Krähwinkel: Ortsname, durch August von Kotzebues (1761-1819) Lustspiel „Die deutschen Kleinstädter“ (1803) für kleinstädtisch-spießbürgerliche Beschränktheit
[3] „Simplicissimus“: politisch-satirische Wochenschrift, die 1896 von A. Langen in München gegründet wurde