Goethe wurde
in der Rezeption der Antike inspiriert und beeinflusst von den Schriften des
Archäologen und Kunsthistorikers Winckelmann, der in Rom als erster Ausländer
mit der Aufsicht über die antiken Denkmäler beauftragt worden war. Die
Bedeutung Winckelmanns für das Kunstverständnis der Klassik verdeutlichte
Goethe später in seiner Schrift ›Winckelmann
und sein Jahrhundert‹.
Goethe wurde
in der Rezeption der Antike inspiriert und beeinflusst von den Schriften des
Archäologen und Kunsthistorikers Winckelmann, der in Rom als erster Ausländer
mit der Aufsicht über die antiken Denkmäler beauftragt worden war. Die
Bedeutung Winckelmanns für das Kunstverständnis der Klassik verdeutlichte
Goethe später in seiner Schrift ›Winckelmann
und sein Jahrhundert‹.
Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in
der Malerei und Bildhauerkunst
Johann Joachim Winkelmann, 1755
»Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich
ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten, und was jemand vom
Homer gesagt, dass derjenige ihn bewundern lernt, der ihn wohl verstehen gelernt,
gilt auch von den Kunstwerken der Alten, sonderlich der Griechen. Die Kenner
und Nachahmer der griechischen Werke finden in ihren Meisterstücken nicht
allein die schönste Natur, sondern noch mehr als Natur, das ist gewisse
idealische Schönheiten derselben, die, wie uns ein alter Ausleger des Plato1
lehrt, von Bildern, bloß im Verstande entworfen, gemacht sind. Die sinnliche
Schönheit gab dem Künstler die schöne Natur, die idealische Schönheit die
erhabenen Züge; von jener nahm er das Menschliche, von dieser das Göttliche.
Ich glaube, ihre Nachahmung könne lehren, geschwinder klug zu werden, weil sie
hier in dem einen den Inbegriff desjenigen findet, was in der ganzen Natur
ausgeteilt ist, und in dem anderen, wie weit die schönste Natur sich über sich
selbst, kühn, aber weislich, erheben kann. Sie wird lehren, mit Sicherheit zu
denken und zu entwerfen, indem sie hier die höchsten Grenzen des menschlich und
zugleich des göttlich Schönen bestimmt sieht. Die edle Einfalt und stille Größe
der griechischen Statuen ist zugleich das wahre Kennzeichen der griechischen
Schriften aus den besten Zeiten, der Schriften aus Sokrates’2
Schule.«
Anmerkungen:
1 Platon: griech. Philosoph (427-347v. Chr.),
Schüler des Sokrates und Gründer der „Platonischen Akademie“, der ersten Philosophenschule
und dem Vorbild der Universität, von der aus sich der Platonismus über die
antike Welt verbreitete. Sein berühmtester Schüler ist Aristoteles.
2 Sokrates: griech. Philosoph (470-399 V. Chr.): Platons
Lehrer Sokrates verfasste nichts Schriftliches, philosophierte nur mündlich und
suchte sich auf den Straßen seine Gesprächspartner. Das Orakel von Delphi
nannte ihn den Weisesten aller Griechen, nicht zuletzt weil er sich seiner
Unwissenheit bewusst war (scio non scire
– ›Ich weiß, dass ich nichts weiß.‹).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen