Dienstag, 19. November 2013

Realismus statt Idealismus: ›Dantons Tod‹ und ›Lenz‹ von Georg Büchner



In einem Brief an seine Familie reagiert Büchner auf den Vorwurf, sein Stück Dantons Tod sei unmoralisch:



»Der Dichter ist kein Lehrer der Moral, er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben, und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut, wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Leben um sie herum vorgeht. Wenn man so wollte, dürfte man keine Geschichte studieren, weil sehr viele unmoralische Dinge darin erzählt werden, müsste mit verbundenen Augen über die Gasse gehen, weil man sonst Unanständigkeiten sehen könnte, und müsste über einen Gott Zeter schreien, der eine Welt erschaffen, worauf so viele Liederlichkeiten vorfallen. Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht zeigen, wie sie ist, sondern wie sie sein solle, so antworte ich, dass ich es nicht besser machen will als der liebe Gott, der die Welt gewiss gemacht hat, wie sie sein soll. Was noch die so genannten Idealdichter anbetrifft, so finde ich, dass sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektiertem Pathos, aber nicht Menschen von Fleisch und Blut gegeben haben, deren Leid und Freude mich mitempfinden macht, und deren Tun und Handeln mir Abscheu oder Bewunderung einflößt. Mit einem Wort, ich halte viel auf Goethe oder Shakespeare, aber sehr wenig auf Schiller.«


Das Stück handelt davon, dass der ehemalige Revolutionär Georg Danton die Politik weitgehend seinem ehemaligen Mitstreiter Robespierre überlässt, dessen Tugendterror dazu beiträgt, dass im postrevolutionären Frankreich keine Ordnung einkehrt. Der desillusionierte Danton hat resigniert, er bewegt sich vorwiegend in der Gesellschaft von leichten Mädchen, trinkt viel und philosophiert. 


In der Erzählung Lenz äußert sich der gleichnamige Schriftsteller in ähnlicher Art.

»Der Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur. Man versuche es einmal und senke sich in das Leben des Geringsten und gebe es wieder, in den Zuckungen, den Andeutungen, dem ganzen feinen, kaum bemerkten Minenspiel.«


Hier finden Sie eine übersichtliche schematische Gegenüberstellung von Idealismus und Realismus.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen